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Ein Wort, ein Glanz, ein Flug, ein Feuer. Ein Flammenwurf, ein Sternenstrich ... Bis zum Glanz schaffe ich es immer. Oft bis zum Flug. Und dann weiß ich, dass das Bildgelingen wird. Denn von hier aus ist es nicht mehr weit, den Zustand der Entwesentlichung und aufblitzenden Klarheit zu erlangen. Eine Sekunde sprachloses Glück, wenn Farbe plötzlich Sternenstrich wird. Merkwürdige Verse hat Gottfried Benn da geschrieben. Es mag auch merkwürdig erscheinen, sie mit meiner Malerei in Verbindung zu bringen. Betrachter staunen eher über die Disziplin, mit der die Bilder gemacht sind. Aber hätte es diesen Moment der Poesie nicht gegeben, würden sie vielleicht gar nicht erst hinsehen. Ich will mit Bildern nichts erzählen. Dazu gibt es die Sprache, der ich mich auch recht gern bediene. Gleichwohl sind sie oft als lyrisch beschrieben worden. Ich bin damit einverstanden, haben manche dann ja wohl den Sternenstrich darin gesehen. Meine Malerei ist absichtslos. Sie will nicht abbilden, sie will nicht kritisieren, sie will nicht belehren. Absichtslosigkeit kann den Weg zu einer tiefgefühlten Wahrheit öffen. Ich scheue das Wort „Erkenntnis“. Es ist zu abstrakt. Ich scheue auch das Wort „Transzendenz“. Es ist zu abgehoben. Aber strahlen, leuchten – den Geist anstrahlen – sollen meine Bilder schon. Mir geht es um die substanzielle Kraft der Farbe. Doch nicht um Farbe als Substanz, sondern um Farbe als Licht. Es geht auch um Reinheit. Deshalb vermeide ich Pinselspuren und setze statt dessen auf Lasuren. Ansonsten schätze ich die Konzentration auf das Wenige. Weniges kann den Anlass für ein Bild geben. Ein Lichtreflex an der Wand, ein Schatten auf dem Tisch, der Kontrast spätsommerlichen Grüns vor einem kobaltblauen Himmel. Doch der erste Gedanke ist immer die Farbe. Ich male gelbe, rote, blaue Bilder. Und ich achte scharf darauf, dass es das richtige Gelb, das richtige Rot und das richtige Blau ist. Dann kommt die Form. Wenig Form, gerade genug um die Farbwirkung zu verdichten. Raster eignen sich dazu excellent. Es hat mich lange Zeit fasziniert, wie sich durch abwechselnde Auflösung und Verdichtung von Rasterpunkten der Tonwert der Farbe verändert. Durch Unterstützung dieses Phänomens, etwa der Kombination kalter und warmer Farbtöne wie Preußischblau und Ultramarinblau, ließ sich der Puls der Farbe noch steigern. Auch behutsam aus der Ordnung gebrachte Gleichförmigkeit vermag den Eindruck von Bewegung zu evozieren. Wie die flitzenden Rasterpunkte auf den Bildern der Serie „Bildstörung“. Oder Komplementärkontraste. Gelegentlich nutze ich sie, um Dynamik in die Bildfläche zu bringen. Ein andermal sind es vielleicht Lichtpunkte, die die Fläche in Schwingung versetzen. Aber egal ob Pulsschlag oder Flitzeschritt – das ruhende Format des Quadrats trägt die Bewegung. Es bleiben stille Bilder. Ich bevorzuge das Quadrat seiner Objektivität wegen. Es lässt alles zu und verführt nicht zu voreiligen Schlüssen. Es schreit nicht nach Vollendung und bietet als Grundform dennoch einen außerordentlichen Variantenreichtum. Man kann es halbieren und erhält ein schlüssiges Hochformat. Oder man kann es vervielfältigen und erhält flexibel anwendbare Bildelemente. Häufig nutze ich das Quadrat für solche Reihungen. Es gibt das 49-teilige „Shuffle“, es gibt die 14-teilige „Lichtreihe“, es gibt das 16-teilige „Gold III“, es gibt das fünfteilige „Licht und Schatten“ oder das dreiteilige „Schatten. Rot-Gelb-Blau“. Die Mehrteiligkeit unterstützt den Gedanken der Bewegung durch den Rhythmus der Hängung. Die Reihe öffnet außerdem Beziehungen der Bilder untereinander, besonders wenn die Folge nicht vorgegeben ist. Das spielerische Moment tritt hinzu, die Leichtigkeit. In Abwechslung zur statischen Form des Quadrats greife ich mitunter auf extrem langgestreckte Formate zurück. Doch das kommt mittlerweile selten vor. Wie auch technoide Formen wie das Punktraster aus meinen Bildern verschwinden, beziehungsweise sich gewandelt haben zu Lichtpunkten. So in der Serie der Schattenbilder. Recht unmittelbar führte das zur Erkundung von Lichtereignissen in freier Form. In der Serie zur Farbe „Gold“ veräußert sich das Licht und schimmert selbst bei spärlicher Beleuchtung. In der „Lichtreihe“ durchdringt es die Vergitterung und im „Spätsommerlicht“ verbindet sich Glanz und Dunkelheit. Ursula Herrndorf |